Philipp-Zeitgeschichte


"Dachauer Singmesse" aus dem KZ entdeckt

Bei Nachforschungen im Diözesanarchiv München ist der Verein "Zum Beispiel Dachau" auf eine Singmesse gestoßen, die im Juli 1944 im KZ Dachau komponiert wurde, und die bisher völlig unbekannt war. In keinem Bericht ehemaliger Priesterhäftlinge konnte zuvor  jemals ein Hinweis auf die Existenz dieser Komposition gefunden werden.

     

Pater Leonhard Roth, Häftling des Priesterblocks im KZ Dachau und nach der Befreiung Seelsorger im SS-Internierungslager, war diese Messe aber bekannt gewesen. Seine Tätigkeitsberichte, die im Diözesanarchiv aufbewahrt werden, erwähnen einen Gedenkgottesdienst vom 29.04.1946 in St. Jakob anlässlich des ersten Jahrestages der Befreiung des Konzentrationslagers  mit der Bemerkung, dass die "Deutsche Singmesse", gedichtet und komponiert im Juli 1944 von Pater Anton Krähenheide MSC, gesungen wurde.

Die Noten dieser Messe konnten auf Nachfrage im Diözesanarchiv gefunden werden. Auch das Kloster der Hiltruper Missionare, dem der Komponist angehörte, war auf Anfrage gerne bereit, die kopierte Handschrift zur Verfügung zu stellen. Pater Anton Krähenheide hat die einstimmige Melodie, zu der er eine Orgelbegleitung schrieb, mit deutschem Text unterlegt. Im Confiteor (Schuldbekenntnis) und Kyrie (Bitte um Erbarmen) drückt er die große Not der Häftlinge aus: "Wir kommen aus Arbeit und Not, aus Alltag und Ringen um Brot, zu Dir, du allmächtiger Vater!".

Pater Anton Krähenheide wurde als 56jähriger am 16. Juni 1942 ins KZ Dachau eingeliefert. Der Verhaftungsgrund waren seine mutigen Predigten gegen die NS-Weltanschauung. Seine Ruhe und Ausgeglichenheit ermöglichten es ihm, sich trotz der elenden Umgebung intensiv der Musik im Priesterblock zu widmen.




Im Nachruf zu seinem Tod im Jahre 1974 schreibt der ehemalige Mithäftling Pfarrer Heinz Römer: "Seine heitere Lebensauffassung entsprach nicht westfälischer Art, obwohl er aus dem Münsterland stammte. In dieser seiner Haltung verstand er es leicht, das Kuriose an Mensch und Zeit zu entdecken und in witziger Form vorzubringen. Andererseits verleitete ihn seine Vitalität, Ungerechtigkeiten anzuprangern, ganz gleich, wo er sie fand. Und das brachte ihn wohl ins KZ. Ferner war er musikalisch, spielte Klavier und Orgel und hatte einen strahlenden Tenor, der manchen Opernsänger in den Schatten stellte... Er war auch im Dachauer Priesterchor eine unentbehrliche Tenorstütze. Eine Persönlichkeit, die man nie vergißt!"


Januar 2002